Frauengeschichtliche Entdeckungen in Nürnberger Kirchen
Sind Frauen, die lesen, gefährlich?
Buchbesitz und Belesenheit in der mittelalterlichen Kunst
Besaßen Frauen im Mittelalter Bücher, konnten sie lesen oder schrieben sie gar selbst?
Mittelalterliche Bilder und Skulpturen zeigen ein vielschichtiges Panorama lesender Frauen, was meist weder biblisch fundiert noch real begründet war. Offenbar existierte ein allgemeines Bedürfnis nach der gelehrten Frau mit Buch in der Hand, wie Maria und ihre Mutter Anna oder wie die Heilige Katharina von Alexandrien: Welche Tragweite sprach man diesen lesenden und dozierenden Frauen in der mittelalterlichen Gesellschaft zu?
„Siehst du, wie die Heiligen gemalt sind, die dir als Beispiel dienen sollen, damit du, wenn du ein so edles und so schönes Mädchen erblickst, Freude und Stärke und Sicherheit gewinnst und nicht zweifelst“, so die Aufforderung eines Predigers zu Beginn des 14. Jahrhunderts.
Sollten derartige Frauendarstellungen die zeitgenössischen Mädchen also bestärken?
Verheißungsvolle Bilderbücher
Frauenspezifische Führungen durch die Nürnberger Kirchen
Vielversprechend liegen die mittelalterlichen Kirchen Nürnbergs wie Bilderbücher vor uns – wir müssen sie nur entziffern!
Die christliche Religion war im Mittelalter die alles beherrschende Kraft der Gesellschaft. Auch und besonders Frauen waren dem unterworfen.
Welchen Normen sie ausgesetzt waren, welche Ideale ihnen vorgesetzt wurden, all das erzählen uns Kunstwerke der Gotik und der Renaissance.
Wir besuchen die Kirchen St. Sebald, St. Lorenz, St. Jakob, Frauenkirche und Klarakirche.
Siehe hierzu meinen Beitrag in den Nürnberger Nachrichten.
Maria in allen Ecken
Himmelskönigin und Magd – Ein Ideal wird konstruiert
Maria hätte von sich behaupten können, die am häufigsten abgebildete Frau des christlichen Abendlandes zu sein –
wieviel dabei an weiblicher Realität oder männlicher Wunschvorstellung eine Rolle spielte, soll bei diesem Erkundungsspaziergang aufgezeigt werden.
Die Menschen wollten alles über Maria wissen: Wann sie geboren wurde, um wieviel Uhr der Engel zu ihr kam und was sie dabei gerade machte?
War sie tatsächlich Jungfrau und war es auch ihre Mutter und …?
Einige der Antworten sind in die Bilderwelt eingeflossen.
Siehe hierzu den Beitrag in der Nürnberger Zeitung.
Die Bärtige Frau, die von Ehemännern befreit
Hl. Kümmernis auf einem Tafelbild in Erlangen-Eltersdorf
Nur weil sie ihren Schuh verliert, kann man sie als Kümmernis erkennen, denn ansonsten sieht die bärtige Frau am Kreuz wie der sterbende Christus aus.
Wie entstand die Legende um die heilige Kümmernis, deren Verehrung sich im 15. Jahrhundert von den Niederlanden über ganz Deutschland ausbreitete? Viele Frauen machten sich den Kult zunutze und baten die Heilige beispielsweise, von ihren Männern befreit zu werden (Kümmernis hatte die Ehe abgelehnt).
Dass ihr Kult nicht bei allen beliebt war, liegt auf der Hand: Die Humanisten schimpften: „Bedrückt jetzt ein altes Weib ein Kummer, so steckt sie ein Kerzlein auf vor Sant Kümmernuß Bild.“
Auch in der Egidienkirche von Eltersdorf bei Erlangen war Kümmernis mit dem Bart bekannt, hier befindet sich ein interessantes Tafelgemälde aus dem beginnenden 16. Jahrhundert.
Einst modern und heute unbekannt
Die heilige Anna
Obwohl Nürnberg die Reformation annahm und somit nur noch Gültigkeit haben sollte, was biblisch verbrieft war, existieren in den hiesigen Kirchen noch immer zahlreiche mittelalterliche Kunstwerke, die der hl. Anna, Marias Mutter, geweiht sind, die doch in der heiligen Schrift nicht vorkommt:
Was veranlasste die Menschen, Zuflucht zu Anna zu nehmen?
Anna ist mal Mutter, mal Großmutter, mal Ehefrau, mal Alleinerziehende: konnten Frauen ein spezielles Interesse an ihr haben? Wir betrachten verschiedene Annenaltäre und -figuren und befragen diese mittelalterlichen Kunstwerke auf ihren sozial-, frauen- und geschlechtergeschichtlichen Hintergrund hin.
Verborgene Frauengeschichte
Mittelalterliche Kunstwerke in der Nürnberger Jakobskirche
Selbstaussagen von Frauen des Mittelalters über sich und ihr Körperempfinden sind rar, häufiger sprachen sich männliche Geistliche über den Frauenkörper aus, und das war selten erfreulich.
Wie Frauen selbst zu Schwangerschaft und Geburt standen, lässt sich dennoch anhand zeitgenössischer Kunstwerke erschließen. In jedem Fall war es harte Arbeit, die durch gegenseitige Unterstützung, dem Wissen von Hebammen und nicht zuletzt Mithilfe weiblicher Heiliger bewältigt werden sollte.
Wir betrachten eine Mariengeburt, die Heimsuchungsgruppe und Anna Selbdritt von Veit Stoß.
Zwischen Maria, Mystik und Muttermilch
Das Ebner-Epitaph in der Nürnberger Sebalduskirche
Noch 150 Jahre nach ihrem Tod erinnerte sich Familie Ebner an ihre bedeutende Vorfahrin:
Christine Ebner, eine Nonne aus dem Dominikanerinnenkloster Engelthal, die als Mystikerin und religiöse Schriftstellerin in die Geschichte einging.
Sie steht in dem Ebner-Epitaph, das um 1500 entstand, mit im Gnadenbild vor Maria, die ihren Sohn stillt – in der Nürnberger Kunstgeschichte eine völlig einzigartige Situation.
Was können wir diesem Kunstwerk an Geschichte „ablesen“?
Belesen und streitbar
Die heilige Katharina von Alexandrien
Eine lehrende Frau vor einer Männerversammlung – wer war diese frühchristliche Heilige mit dem Namen Katharina?
Spätestens seit der Gründung des Nürnberger Dominikanerinnenklosters, das sich Katharina als Schutzpatronin wählte, war diese Frauenfigur auch hier berühmt.
Welche Identifikationsmuster gab Katharina den Frauen an die Hand? Durften Frauen tatsächlich an Universitäten dozieren? Wieso wählten Stifterfamilien ausgerechnet diese Heilige für ihren Altar aus?
Wir betrachten die Katharinenaltäre und -figuren in der Lorenz- und der Sebalduskirche und befragen diese mittelalterlichen Kunstwerke auf ihren sozial-, frauen- und geschlechtergeschichtlichen Hintergrund hin.
Geschlechterhierarchien in familiärer Idylle
Ein Tafelgemälde aus dem Umkreis der Dürerwerkstatt in der Nürnberger Sebalduskirche
Stolz und vorbildlich präsentiert sich die zweimal verheiratete Frau Holzschuher mit ihren Töchtern den Kirchgänger:innen gleich beim Eintritt in die Sebalduskirche. In der Stifterzone unterhalb des Gemäldes einer Marienkrönung, die sie mit ihrem Mann finanzierte, waren Kleidung und religiöses Beiwerk entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung sorgfältig dargestellt.
Während man den Männern nicht ansehen konnte, ob sie schon vergeben oder noch zu haben waren, war der Stand der Frauen aufgrund ihrer Kopfbedeckung genau zu erkennen.
Was lässt sich über das Alltagsleben der Nürnberger Oberschicht anhand dieses Tafelgemäldes erfahren?